Der Fluch der schwäbischen Herzöge – Es begann mit Mord- und Totschlag: Teil I

Die Geschichte des Herzogtums Schwaben war von Beginn an ein Spiel mit der Macht, begleitet von Intrigen und auch Morden. In vier Teilen wird die Geschichte des Herzogtums und seiner Herzöge erzählt. Nicht wenige davon bezahlten das Machtstreben mit ihrem Leben. Das Herzogtum trennte Familien, es brachte Freunde gegeneinander auf und war ein Spielball der Mächtigen. Das gemeine Volk, dessen Leben sich in keiner Urkunde wiederfindet, zahlte einen hohen Preis für die Machtintrigen der Adeligen. Die vielen Toten und der häufige Misserfolg der handelnden Personen lassen ein Schicksal dahinter vermuten. War es gar ein Fluch, der sich wie ein Schatten auf das Herzogtum legte? Es ist zwar kein Fluch überliefert, aber siehe selbst:

Vorwort: Manche sprechen vom Herzogtum Alemannien, manche sehen darin einen Unterschied zum Herzogtum Schwaben. Mit Verweis auf Christoph Morrissey und der Tatsache, dass es keine genaue Gebietsabgrenzung im frühen Mittelalter gab, belasse ich die Begriffe als Synonyme. So wurden sie spätestens ab dem 9. Jahrhundert auch genutzt. Vielleicht war Gunzo der erste Herzog der Alemannen, somit ergibt sich mit dem Herzog und Herzogtum Schwaben zusätzlich eine Abgrenzung.

Der Anfang der Herzöge von Schwaben führt zurück ins Mittelalter im beginnenden 10. Jahrhundert. Es war eine brutale Zeit, in der die Macht mit dem Schwert erkämpft und gefestigt wurde. Der Adel bekriegte sich um die Vorherrschaft und auf der Ebene der Stammesverbände setzten sich die Franken durch. Sie besiegten die Alemannen am Ende des 5. Jahrhunderts und stellten die Elite im Frankenreich. Im Blutgericht von Cannstatt eliminierten die fränkischen Herrn den alemannischen Adel rund 150 Jahre später. Inzwischen war das Frankenreich dreigeteilt worden und Schwaben lag im Ostfränkischen Reich, das erst 843 entstand.

Mit der Herausbildung der Herzogtümer entwickelten sich die Regionen unabhängiger vom zentralen Königtum, was selbstverständlich wieder Anlass für Kriege und Intrigen war.

Herzogtum Schwaben: Teil 1 - Mord & Totschlag
Herzogtum Schwaben: Teil 1 – Mord & Totschlag

Die Kontrahenten im Kampf ums Herzogtum Schwaben

Die Idee eines Herzogtums wurde in vielen Teilen des Ostfränkischen Reichs umgesetzt. Auch in Schwaben stiegen die Begehrlichkeiten. Drei Parteien standen sich dabei gegenüber, wobei nicht alle den Titel erwerben wollten. Eine Partei wollte einen Herzog verhindern, die anderen rangen darum. Genauer: Zwei Adelsfamilien stritten um das Vorrecht der Herzogswürde.

Vom Stammbaum der Alaholfinger kommend, betrachteten die Bertholde sich als geeignete Kandidaten für das hochrangige Amt des Herzogs von Schwaben. Sie hatten ihren Ursprung am Neckar. Auf der gegenüberliegenden Seite, sowohl geografisch als auch machtpolitisch, trachteten die Burchardinger (Hunfridinger) nach dem Herzogsamt. Sie beherrschten vor allem Rätien, also die Gegend um den Hochrhein bis nach Österreich und in die Schweiz.

Und es gab noch eine Macht im „Staate“, das waren die kirchlichen Oberhäupter. In diesem Fall war das der Bischof Salomo III von Konstanz. Er war Kanzler der Ostfränkischen Könige, sowohl für Ludwig das Kind als auch für Konrad I, welcher 911 die Regentschaft im Ostfränkischen Reich übernahm. Bischof Salomo sah seine Macht schwinden, sollte es einen Herzog von Schwaben über ihm geben.

Burchard I | Der Kampf ums Herzogtum Schwaben beginnt

Das Königreich zusammenzuhalten wurde angesichts der Größe immer schwerer. Es war die Zeit der Herzogtümer gekommen, die anders als die bisherigen Herzöge große Macht besitzen würden. Ein mittelalterlicher Föderalismus sozusagen, denn das Herrschen war auch eine Frage von Unterstützern. Das neue Herzogtum weckte Begehrlichkeiten, da wollte niemand hinten anstehen. Das bedeutete nicht nur Macht, sondern auch die Möglichkeit der Schaffung einer Dynastie. Diese Form des Erbadels setzte bei den Franken schon vorher ein und wir befinden uns im Ostfränkischen Reich, dem Vorgänger des ersten Deutschen Reichs. Ab dem Jahr 900 beginnen die Versuche der beiden Adelsfamilien, sich jeweils als Herzogsdynastie in Schwaben zu etablieren. Diese drei Parteien schenkten sich nichts. Sie intrigierten oder schmetterten ihre Ansprüche einander ins Gesicht. Ein Protokoll oder Regeln oder gar Gesetze gab es nicht.

Vor diesem Hintergrund trat Markgraf Burchard I aus dem Adel der Burchardinger (Hunfridinger) auf den Plan. Er war Sohn des Grafen Adalbert II von Thurgau und entfernt, aber in direkter Linie mit dem Markgrafen Hunifried I von Istrien und Rätien verwandt. Sein Geburtsdatum ist unbekannt, man vermutet seine Geburt zwischen 855 und 860. Im Jahr 900 war Burchard der mächtigste Mann in der Region. Und als im Jahr 909 Rudolf aus dem Hause der Welfen verstarb, fiel ihm das Erbe zu. Das machte ihn, womöglich nur seiner Ansicht nach, zum geeignetsten Kandidaten für die Herzogswürde. Außerdem erlangte er die Vogtrechte in den schwäbischen Ländereien des wohlhabenden Klosters Lorsch.

Die Aktenlage ist in der Frage, ob er in diesem Jahr bereits zum Herzog von Schwaben wurde oder ob er sich das vorgenommen hatte, unklar. Eine offizielle Urkunde findet sich nicht. Vielleicht, und das ist reine Spekulation, ließ der Königsbote und Stellvertreter des Königs in Schwaben, Erchanger II, das unter den Tisch fallen? Erchanger II war Burchards Widersacher im innigen Wunsch um den Herzogstitel. Wahrscheinlicher aber ist doch, dass Burchard erst noch im Begriff war, sich auf den Herzogsstuhl zu setzen.

Mithilfe von Intrigen spielte Burchard ein böses Spiel mit seinen Kontrahenten, dem Pfalzgraf und Königsboten Erchanger II sowie dem Bischof Salomon. Aber das falsche Spiel flog auf.

Im Jahr 911 wurde Burchard dafür gefangengesetzt. Der schwäbische Landtag sprach Burchard des Hochverrats schuldig. Ein Getümmel brach aus und in dessen Zuge fand Burchard den Tod. Die Forschung ist sich unsicher, ob das die Folge des Todesurteils war oder ob er im Tumult erschlagen wurde. Die Quellen zum Todestag variieren ebenfalls: War es der 9. oder der 23. November?

Nach dem Tod von Burchard I flüchtete sein Sohn, Burchard II, der später noch einen Anlauf wagen wird, und seine Frau Reglinda nach Italien. Der Familie wurden zur Strafe die Besitzungen in Schwaben und Rätien aberkannt. Sein Bruder Adalbert, der Graf von Thurgau, fand ebenfalls den Tod. Dafür sorgte der Bischof.

Erchanger II – Die Wirren der Kriegszeit

Vermutlich wurde Erchanger II aus dem Geschlecht der Bertholde um 870 in Aldingen neben Spaichingen als Mitglied des Hochadels geboren. Er war der Sohn des Grafen im Elsaß und Breisgau, Berchthold I, und einer Tochter des elsässischen Grafen Erchanger I. Die Stammeslinie dieser Bertholde führt zum Adel der Alaholfinger, die im Frühmittelalter durchaus einflussreich waren.

Der Hochwohlgeborene wurde zum Pfalzgrafen erhoben. Die Pfalzgrafen fungierten als Mittelsmann zwischen dem König und dem Reich. Sozusagen der Statthalter des Königs und dieser hatte die Pfalz Bodman inne. Eine Pfalz war ein königlicher Hof in Zeiten der Reisekönige. Ein Pfalzgraf hatte umfangreiche Rechte und kontrollierte beispielsweise den Adel. Die Privilegien umfassten nicht nur das Zoll- und Jagdrecht, auch das Münzrecht oblag ihm.

Neben dieser hohen Stellung wurde Erchanger II zum Königsboten am karolingischen Hofe in Ostfranken ernannt. Dessen Aufgabe war es, die Loyalität derer zu kontrollieren, die dem König Gefolgschaft garantierten. Der Königsbote überwachte die Verwaltung, das Heer und war gleichsam Richter. Die Königsboten erstatteten dem König direkt Bericht.

Nach Burchards Tod warf Erchanger II seinen Hut um den Rang des Herzogs in den Ring. Dafür muss man etwas ausführen. Seit Jahren schon fielen die Ungarn immer wieder über Bayern und nun auch vermehrt über Schwaben herein. Sie brachten Tod und Verwüstung mit sich und waren oftmals genauso schnell verschwunden, wie sie gekommen waren. Die Ungarn respektive die Magyaren waren ein Reitervolk. Auf dem Rücken der Pferde waren sie schneller als die fränkischen Ritter, die auf den Nahkampf setzten. Die Magyaren nutzten vorzugsweise den Bogen – eine Distanzwaffe, die weiter schoss als alles, was die Franken aufbieten konnten. Erst König Otto I (der später Kaiser wurde) schaffte es 955 mit einer besseren Panzerung den Ungarn gänzlich Einhalt zu gebieten.

König Konrad I hingegen war mit den Westfranken schon überfordert und überließ den Pfalzgrafen das Schlachtfeld. Seine Gründe haben die Gegenwart nicht erreicht. Pfalzgraf Erchanger II und Graf Odalrich konnten die Ungarn 913 am Inn besiegen. Das gelang ihnen ohne die Hilfe des Königs Konrad I, der durch seine Untätigkeit selbst die Treuesten gegen sich aufbrachte; und Erchanger II war einer der ergebensten Beamte am Hofe.

Sowohl in Sachsen und Bayern als auch bei den Anwärtern auf die Herzogswürde, Berthold und Burchard führte die fehlende Unterstützung gegen die Ungarn zu Protesten. Die Ungarneinfälle mögen ein Grund gewesen sein, aber es ist nicht überliefert, warum sich Erchanger II und Konrad I überwarfen. Erst im Herbst konnte der König Konrad I den Konflikt entschärfen. Er feierte das Weihnachtsfest mit dem Bischof von Konstanz Salomon und brach am zweiten Weihnachtsfeiertag nach Bodman zu Erchanger II auf. Im Herbst des Jahres vermählte er auch seine Schwester Kundigunde mit dem Pfalzgrafen Erchanger II.

Doch möglicherweise spielte Erchanger II nur gute Miene zum bösen Treiben. Denn ein Jahr später, 914, setzte er den Bischof von Konstanz, Salomon III, dem er die Fehde erklärte, gefangen. Das war nicht gerade diplomatisch, zumal Salomon und Erchanger II vor seiner Ernennung zum Pfalzgrafen durchaus gute Kontakte pflegten. Der Grund für das Vorgehen dürfte machtpolitischer Natur gewesen sein. Was der offizielle Grund für das Überwerfen mit dem König des Ostfrankenreichs war, geht aus der Aktenlage nicht hervor.

Konrad I hatte die Königswürde aber auch Salomon zu verdanken und sie waren enge Vertraute. Mit der Gefangennahme Erchangers rückte Konrad I aus und unterwarf Erchanger II, dem er habhaft wurde und ihn anschließend in die Verbannung schickte. Nun waren beide Familien aus dem Rennen und der Bischof konnte triumphieren.

Im Reich aber brodelte es. Die Burchardinger rebellierten offen gegen den König, welcher mit seinem Heer dessen Burg Hohentwiel belagerte, allerdings vergeblich. Währenddessen nutzte der Herzog von Sachsen die Lage und fiel in Franken ein, sodass der König Konrad I mit seinem Heer abzog.

Nun sah Erchanger II seine Zeit gekommen. Er kehrte zurück und verbündete sich mit Burchard II, dem Sohn seines einstigen Widersachers, gegen den König. Die Dinge eskalierten und 915 kam es zu Schlacht von Wahlwies in der Nähe von Bodman.

Mit diesem Sieg erhob sich Erchanger II selbst zum Herzog von Schwaben, dem ersten offiziellen Herzog Schwabens. Konrad I, so machte es den Eindruck, war damit einverstanden. Doch das Spiel war noch nicht vorbei. Der Bischof von Konstanz hatte noch einen Trumpf im Ärmel: Die Synode von Hohenaltheim. Dazu rief der König Konrad I nun.

Synode von Hohenaltheim

Im September 916 fand in Hohenaltheim eine Synode statt, wobei sich die Bischöfe zu einer gesetzgebenden Sitzung versammelten. Der König hatte gerufen, das in Sachsen aber ignoriert wurde. Ein Vorbote des Untergangs von Konrad I, denn Heinrich von Sachsen strebte selbst nach dem Königstitel. Die Synode war mutmaßlich auch eine Idee des Konstanzer Bischofs, Salomon III, der selbstverständlich ebenfalls mit von der Partie war. Diese Kirchenversammlung unter der Leitung des päpstlichen Legaten Petrus von Orte war die einzige in der karolingischen Zeit, die eine Rechtsprechung zum Schutz des Königs erklärte. Die Kirche und der König bildeten fortan ein Duo, das die Machtverhältnisse im Reich änderte. Die Bischöfe beschlossen, dass die Abkehr vom König mit dem Tode zu bestrafen wäre. Zwei Delinquenten konnte man gleich ausmachen: Erchanger II und sein Verbündeter Burchard II. Die Vorwürfe waren: Anmaßung herzoglicher Würde und Gehorsamsverweigerung. Auf dem Weg zur Reichsversammlung ließ der König sie festnehmen. Sie wurden zu lebenslanger Klosterhaft verurteilt. Erchanger II akzeptierte die Strafe und unterwarf sich dem Urteil und dem König.

Am 21. Januar 917 wurden Erchanger II und weitere Getreue seines Clans auf des Königs Geheiß enthauptet – darunter Berthold und dessen Neffe Luitfried. Die Güter Erchangers II wurden eingezogen. Das betraf nicht die Güter seiner Frau, die ja des Königs Schwester war. Sein Grab liegt in der Johanniskirche in Wannweil.

Salomon III hat ihn nur um zwei oder drei Jahre überlebt. Sein Todestag ist nicht genau zu nennen. Der König war schon seit seiner Niederlage gegen den bayrischen Herzog 916 verwundet. Davon erholte er sich nicht und starb Weihnachten 918.

Ihm folgte Heinrich aus Sachsen nach, der einiges ändern wollte. Die Herzogsfrage in Schwaben blieb aber weiter Grund für kriegerische Interessenvertretungen.

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