Die Legionen Roms und die Entwicklung der Provinz – Teil V
Das römische Militär war die Säule der Herrschaft und Teil der Entwicklung der Provinz Rätien.
In fünf Teilen geht es um die Römer in Oberschwaben. Im ersten Teil ging es um die Verhältnisse vor den Römern, danach folgte die Stellung der Römer in der Antike. Im dritten Teil ging es um die Eroberung des Gebiets und danach war die Okkupation thematisiert worden.
Unter der Herrschaft Vespasians und der flavischen Sippe konnten Hilfstruppen nun auch in die Legion übernommen werden, was das Prestige erhöhte. Nach dem Dienstende erhielten sie die Bürgerrechte, aber erst ab dem 3. Jahrhundert. Ein Legionär verdiente auch mehr, rund 300 Denare zu Zeit von Kaiser Domitian, unter Kaiser Commodus sogar 375 Denare. Ein Tageslohn war ungefähr etwas weniger Wert als ein Keramiktopf.
Ein Legionär der 16. Legion stammte beispielsweise aus Neu-Ulm. Die Provinzen Roms wurden schnell integriert und römisiert. Die Provinz erhielt eine Selbstverwaltung, worunter aber nicht die Militärlager fielen. Diese waren Rom direkt unterstellt.
Die Militärlager waren rechteckige Konstrukte, die immer gleich, also einheitlich, gebaut wurden. Die Straßen, die Ausgänge und auch die Gebäude waren immer in einer bestimmten Art angelegt worden. Die Anlage war von einem Graben und von einer Holzmauer auf einem dahinterliegenden Wall umfasst. Direkt dahinter befand sich die Lagerring-Straße.
Zu den Gebäuden in einem römischen Militärlager gehörten neben den Schlafräumen auch Waffenschmieden und die Häuser der Handwerker. Auch Händler und Bauern lebten teilweise in den Militärlagern. Doch um die Lager herum entstanden ab dem 1. Jahrhundert zivile Siedlungen. Der Höhepunkt dieser Lebensart findet sich dann im 2. und 3. Jahrhundert. Meist lebten dort die Familien der Armeeangehörigen. Es entstanden Fachwerkbauten mit einer Giebelfront, teils sogar unterkellert.
Es gab Heiligtümer und Tempel, die Leute damals – Römer, Germanen und Kelten –waren sehr religiös. Die Straßen wurden geweiht und natürlich auch die Siedlungen. Die Religion vermischte sich mit der Zeit und die Opferrituale wurden romanisiert (Mix aus römisch und germanisch). An Kreuzungen fand man Weihesteine einer Vierwegegöttin.
Alle Militärlager waren miteinander via Straßen verbunden, an denen auch die Friedhöfe außerhalb der Gemeinden angelegt waren. Die Römer hatten die Straßen in Oberschwaben mächtig ausgebaut. Zwar nutzte man zumeist bereits von den Kelten etablierte Wege, doch die Römer bauten die Straßen richtig aus. Die Konstruktion bestand zumeist auf gerader Strecke aus einem Damm mit einem Graben daneben: Erst Sand, dann Kies und mit zunehmender Höhe wurden die Steine größer. Die Fahrbahnoberfläche bildeten bearbeitete Steinplatten.
Diese Infrastruktur ließ auch Menschen ins heutige Oberschwaben zuwandern, denn vor der römischen Okkupation gab es kaum Menschen hier. Die Straßen der Römer waren vielbefahren, auch mit Händlerwägen, welche einen Wagenreifen aus Eisen hatten. Deren Spuren haben sich tief in die Steine geschliffen. Zumeist gibt es Inschriften dieser Händler, doch fand man davon in Baden-Württemberg nur wenige.
Die Straßen führten immer zu Städten oder Lagern, so musste man nur der Straße folgen, um einen Absatzmarkt zu finden. Entlang dieser römischen Wege entstanden auch neue Siedlungen. Dennoch blieb Oberschwaben dünn besiedelt, der Schwarzwald war vermutlich vollkommen entleert. Ähnlich dürfte es auch um Wangen herum ausgesehen haben. Auch am Bodensee durfte nur wenig los gewesen sein. Mehr Aktivität fand sich bei Bad Saulgau und Sigmaringen zur Zeit der Römer, vielleicht auf Grund der Grenznähe.
In Rätien gab es vier große Querstraßen und zwei große Nord-Süd-Verbindungen. Die Pflege dieser Wege übernahmen meist ausgediente Soldaten. Sie nannte man Benefizarier und sie lebten vermutlich an dieser Straße. Eine solche Station der römischen Straßenwacht findet sich an der Kinzigtalstraße, südlich von Sigmaringen. Derartige Stationen waren mit Rasthäusern und einem Pferdestall ausgestattet – antike Autobahnraststätten.
Die Straßen waren ferner alle paar Kilometer mit Entfernungsangaben ausgestattet. Diese Meilensteine waren vier Meter hoch und darauf war auch der Kaiser erwähnt, der die Finanzierung der Straßen übernahm. Die Entfernungen waren in römischen Meilen angegeben. Eine römische Meile entspricht 1.478 Meter. Ab 204 n. C. gab es die Einheit „Leugen“. Eine Leuge entsprach rund 2,22 Kilometern. Auch die Kelten hatten diese Maßeinheit bereits. Heute wird ein Teil dieser Wege noch genutzt, andere sind überbaut worden. Der Straßenbau wird jedoch ab dem 3. Jahrhundert vernachlässigt, was mit der Heeresreform zu tun hatte.
Vor und nach den Römern war die Landwirtschaft der wichtigste Wirtschaftszweig in Oberschwaben. Zu römischer Zeit erhöhte sich die Produktivität und man kultivierte mehr Land. Die Landwirtschaft wurde ausgeweitet, sogar auf der Schwäbischen Alb.
Aber die Römer interessierten sich auch für Eisen und Steine. So ist unter den Römern ein zunehmender Steinabbau auf der Schwäbischen Alb und auch in Oberschwaben nachzuweisen. Die Steine wurden vermutlich direkt vor Ort bearbeitet und dann abtransportiert. Außerdem wurde zu der Zeit viel Wald zerstört. Man nutzte Holz als Baumaterial, teils wurde der Wald für den Ackerbau gerodet, teils diente das Holz als Heizmaterial für die vielen Bäder, wobei man es vorher zu Kohle verarbeitete. Die Kohle brauchte man auch zum Verhütten von Eisen, wie man dies im Ostalbkreis tat. Auch die Produktion von Ziegeln begann unter den Römern. Dies veränderte das Gesicht Oberschwabens.
Zwar brachten die Römer auch die Geldwirtschaft nach Oberschwaben, doch konnten die Germanen damit nicht so viel anfangen. So gibt es auch kaum Münzfunde, vereinzelt im nördlichen Albvorland, aber auch bei Rißtissen. Die Münzen dort fand man in der Nähe des Kastells, sie stammen aus dem Jahre 220 n. C. Das Geld bewahrte man am Armreifen oder in Stoffbeuteln auf.
Die Römer brachten außerdem eine medizinische Versorgung mit nach Oberschwaben. Diese war wohl nicht schlecht, man fand sogar Skalpelle in deren Ausstattungen. Man nutzte Kräuter zur Linderung von Schmerzen, so ist überliefert, dass man mit Safran Bindehautentzündungen behandelte. Aber vor allem die Bäder waren schnell beliebt. Je nach Siedlungsgröße gab es gleich mehrere Bäder, die nur wenig kosteten und so von allen genutzt werden konnten. Und die Bildung wurde vorangetrieben, im 2. Jahrhundert konnte ein Teil der Bevölkerung lesen und schreiben. Schon 300 Jahre später konnte dies in Oberschwaben nicht mal mehr der Adel.
Villa Rustica – Römische Gutshöfe in Oberschwaben
Und auch in Oberschwaben muss es einige römische Gutshöfe über das Land verteilt gegeben haben. Diese sogenannten villa rustica waren autarke Siedlungen, die von Mauern umgeben waren. Im Laufe der Zeit werden aus Holzwänden im 2. Jahrhundert Steinwände. Die Mauern waren mit Türmen versehen.
Die Gutshöfe waren Teil eines Handelsnetzes und versorgten die umliegenden Gelände-Felder. In solchen Gutshöfen wurde auch getöpfert, jedoch waren germanische Keramikwaren im römischen Reich nicht sonderlich beliebt. Allerdings gab es viele Ziegeleien in Oberschwaben unter den Römern, sowohl in Militärlagern als auch in Gutshöfen (villa rustica). Darüber hinaus waren die Gutshöfe auch mit Schmieden, Textil- und Lebensmittelverarbeitung ausgestattet. Ebenso war wohl oftmals ein Tempel vorhanden. So fand man in Hausern a. d. Zaber eine Jupitergigantensäule und einen Weihestein für die keltische Göttin Epona in Hergottsfeld (Biberach).
In ganz Baden-Württemberg hat man inzwischen über 1.000 solcher Gutshöfe entdeckt, in Oberschwaben hat man rund 100 gefunden. Sie waren ebenfalls rechteckig angelegt und umfassten meist weniger als 100 Hektar Landfläche. Meistens hat man sie in der Nähe von Quellen errichtet oder sie verfügten über einen eigenen Brunnen.
Sie hatten zumeist eine überdachte Säulenhalle und in den Ecken befanden sich die Wohngebäude mit Kellern. Ein solcher Hof ist beispielsweise bei Inzigkofen gefunden worden, aber auch bei Ummendorf und bei Langnau bei Ulm. Dort fand man römisches Mosaik, was typisch für Gutshöfe war, so auch in Mengen, in Bechingen (BC), Ertingen und Hergottsfeld (Kreis Ravensburg). Die Gebäude waren von roten Dachziegeln bedeckt und die Höhe der Räume lag bei zwei Metern. Die Römer waren in Durchschnitt kleiner als die Germanen.
Die Gutshöfe waren zumeist von ehemaligen Soldaten der römischen Armee bewirtschaftet worden, aber es gab auch Chefs mit keltischen Wurzeln in solch einer villa rustica. Den Reichtum eines solchen Gutshofschefs spiegelte sich im Vorhandensein eines eigenen Bads.
Noch heute verweisen lateinische Flurnamen auf eine ursprünglich römische Besiedlung oder gar eine villa rustica. Auch der Limes hat seine Rückstände hinterlassen, die man noch sehen und bestaunen kann. Derart haben sich im Mittelalter auch neue Namen dafür ausgebildet, wie „Teufelsmauer“ – da man sich wohl nicht mehr an die Erbauer erinnern konnte.
Rom wird ab dem 3. Jahrhundert untergehen und ab dem 5. Jahrhundert wird der Limes aufgelöst, wie auch das weströmische Imperium. In Oberschwaben machen sich die Alemannen breit..