Der Erste Konstanzer Bistumsstreit zu Beginn des 15. Jahrhunderts
In einer Zeit voller Intrigen und anhaltendem Ringen um Macht ist der Bischofsstuhl in Konstanz vakant. Wer darf den Bischof benennen? Der Papst hat andere Pläne als das zuständige Domkapitel in Konstanz. Der Konflikt ist verbunden mit dem Großen Abendländischen Schisma, der Teilung der katholischen Kirche.
Das Mittelalter war vom Glauben, worauf die Kirche das Monopol hatte, und Machtkämpfen, welche der Adel und gelegentlich auch die Kirche führten, geprägt.
Die Konflikte vollzogen sich sowohl zwischen Adel und Kirche, wie im Investiturstreit im 12. Jahrhundert, als auch innerhalb der Kirche selbst. Das Große Abendländische Schisma trennte die Kirche in unterschiedliche Lager, zwischen denen sich die Gottgläubigen entscheiden mussten. Die Frage nach dem Recht über die Ernennung der Kirchenämter führte zur Frage, wer wurde rechtmäßig gewählt? Und da das Konzil die Papstwahl leitet, steht es über dem Papst? Und dann wieder die Wechselwirkung zwischen Kirche und weltlichen Herrschern. Dürfen diese den Papst einschränken?
Im Jahr 1378 starb Papst Gregor XI, der selbst schon so seine Legitimierungsprobleme außerhalb Frankreichs hatte. Schnell wählte man einen Italiener zum Papst, nämlich Urban VI. Frankreich war not amused und wählte im Gegenzug einen anderen Papst: Clemens VII. Es begann das Große Abendländische Schisma, das eine ganze Generation beschäftigte. Um diesen Zustand zu beenden, wählte das Konzil in Pisa 1409 Alexander V. Der 70-jährige erlag aber schon ein Jahr später einer Krankheit. Daher wählte man 1410 seinen Nachfolger: Johannes XXIII. Die Karten mischten sich neu, aber die Spaltung vertiefte sich.
Mit der Kirche spaltete sich auch Europa. Das Deutsche Reich stand wie beispielsweise Polen oder England zu Urban VI, Schottland, Kastilien und andere standen zum französischen Kandidaten Clemens VII. Das führte auch immer wieder zu kleineren Scharmützeln und vor allem schwächte es die Kirche selbst.
Zu den großen Fragen der Kirche tagte ein Konzil und dieses Konzil war eines der bedeutendsten: Das Konzil von Konstanz (1414 bis 1418). Es wurde einberufen, um die 40-jährige Spaltung der Kirche zu beenden, was sogar gelang. Doch damit war der Bischofsstreit in Konstanz keineswegs geklärt. Im Gegenteil.

Der Erste Konstanzer Bischofsstreit
Im Bistum von Konstanz spielte sich der gleiche Disput auf niedriger Ebene ab. Der Bischof, der das Konzil in Konstanz begrüßen durfte, war Otto IV von Hachberg. Er wurde vom Papst Johannes XXIII ernannt und auf den Bischofsstuhl gesetzt. Die Frage der Legitimität stand im Raum? Hier stehen sich zwei Adelshäuser gegenüber, die beide das äußerst lukrative und prestigeträchtige Amt für sich gewinnen wollen. Dies wird später noch zu einem zweiten Bischofsstreit führen, der blutig wurde.
Die Bischofskandidaten: Otto IV. von Hachberg versus Heinrich IV. von Hewen.
Otto IV. von Hachberg stammte aus dem hohen Adelsgeschlecht mit Sitz nördlich von Freiburg. Als Markgrafen bekleidete das Adelshaus höchste Ämter im mittelalterlichen Ständeraum.
Über Heinrich IV. von Hewen ist mehr bekannt als über seinen Gegner. Seine Familie ist in der heutigen Schweiz in Schwarzenbach bei Jonschwil beheimatet. Seine Mutter war die Gräfin von Werdenberg-Heiligenberg. Hewen studierte in Wien und Rom, war Dekan in Straßburg, Propst in Luzern und ab 1426 Domherr in Konstanz. Einerseits war er bestrebt, die Kirche zu reformieren und Missstände abzuschaffen und vermittelte im Krieg in der Schweiz, aber er führte Krieg mit den Meersburgern, die mehr Rechte einforderten.
Der Grund für den Konflikt: Hachberg wurde durch Papst XXIII, einer der Gegenpäpste, zum Bischof ernannt. Mit dem Einsetzen von Hachberg überging der Papst das Domkapitel. Das war zwar legitim, aber es hatte ein Geschmäckle. Das Domkapitel, welches aus lokalen Adeligen bestand – darunter auch ein Verwandter des Gegenkandidaten Heinrich IV. von Hewen, war brüskiert, denn dem Domkapitel stand das Wahlrecht zu. Aber das Wort des Papsts wog mehr.
Wer wird Bischof von Konstanz?
Auch dieser Streit begann 1410 mit dem Tod des bisherigen Amtsträgers, Albrecht III. von Hohenstein. Der zweite Gegenpapst nutzte die Chance und besetzte den Bischofsstuhl mit seinem Getreuen: Otto von Hachberg – vorbei am Domkapitel. Die Frage nach der Rechtmäßigkeit war einer der ungeklärten Punkte. Der Papst handelte strategisch, er hatte dabei seinen Gegner, der Papst im französischen Avignon, im Auge. Zudem war Konstanz reich und das war auch im Mittelalter wichtig.
Die Adeligen des Domkapitels konnten das auch nicht militärisch klären, dafür fehlten ihnen Mittel und Macht. Der Bischof hatte nicht nur den Papst hinter sich, er war Markgraf mit deutlich mehr Vasallen und militärischen Ressourcen.
So empfing Hachberg die Exzellenzen seiner Zeit als Bischof zum Konzil von Konstanz, das der König einberufen hatte.
Dem Domkapitel blieb nur das Recht der Wahl des Bischofs. Das nutzten sie auch, obwohl Hachberg noch im Amt war. Das Domkapitel war bestärkt durch das Konzil, das als Gremium auch die Papstwahl leitet und weil Papst Johannes XXIII fahnenflüchtig war.
So erfolgte 1415 eine neue Wahl zum Bischof von Konstanz, bei der Hewen zum Bischof gewählt wurde. Doch Hachberg dachte nicht daran, vom Amt zurückzutreten und so war die Wahl ein zahnloser Papiertiger.
Das Konzil war erfolgreich, das Große Abendländische Schisma endete 1417 mit dem Rücktritt der drei Päpste und der Wahl von Martin V. Dieser bestätigte 1418 auch Otto IV. von Hachberg als Bischof von Konstanz. Das Domkapitel musste das hinnehmen, wenngleich der Widerstand des Domkapitels gegen den Bischof von Konstanz in den nächsten Jahren zunahm.
Als Hewen endlich Bischof wurde
Hachbergs Zeit als Bischof war von dem Konflikt mit dem Domkapitel geprägt. Sie widersetzten sich dem Bischof auf allen Ebenen. Die Verwaltung stellte sich bei Ernennungen oder Vollmachten quer, sie verweigerte ihm die Auszahlung der Finanzen und man verwies bei Streitigkeiten darauf, dass der Bischof nicht legitimiert sei. Es wurden Briefe an den Papst geschrieben und man erbat Absetzung. Das Domkapitel wusste auch einige Gelehrte und Prediger auf ihrer Seite. Man schoss aus allen Rohren auf ihn.
Alle Versuche, sich seiner zu entledigen, blieben wirkungslos, bis sein Führsprecher, der Papst, starb. Anno Domini 1431 wurde Eugen IV zum Papst der Kirche, der ein reformistischeres Programm verfolgte. 1434 verhandelte der Papst mit dem inzwischen über 60-jährigen Bischof Hachberg und dem Domkapitel, um die Geister zu besänftigen.
Im August 1436 schließlich wurde Heinrich von Hewen zum Bischof von Konstanz, bestätigt durch den Papst. Das Domkapitel hat sich durchgesetzt. Später ernannte der Papst Hewen zudem zum Verwalter des Bistums Chur, wo er bis 1456 im Amt blieb. Das Amt als Bischof von Konstanz bekleidete er bis zum Tod 1462.