Wandrekonstruktion 'Alte Burg' Langenenslingen
Die ‚Alte Burg‘ klingt für das, was dort einst stand zu wenig spektakulär und außerdem ist der Name irreführend. Eine Burg, wie es sie im Mittelalter viele gab, stand auf diesem Bergsporn wohl nie. Viel mehr war es ziemlich vermutlich ein Kultplatz der Kelten. Ein Platz an dem sich die Eliten aufhielten, ein Platz mit einer Bedeutung, die weit über Oberschwaben hinausgegangen sein könnte. Es war der größte befestigte Bau dieser Art der Hallstattzeit nördlich der Alpen.
Frühkeltische Anlage oder mittelalterliche Burg?
Das 19. Jahrhundert erweckte das Interesse an der Vergangenheit, und man begann die vielen Burgen und Burgställe in Oberschwaben zu untersuchen. Man fand auf dem Berg einen Wallgraben und da lag der Verdacht nahe, es handele sich um eine alte Burg. Ein Grenzverlauf zwischen Emerfeld und Langenenslingen, sowie zwischen Hohenzollern und Württemberg verstärkte den Eindruck.
Tatsächlich gab es eine Burg auf dem benachbarten Berg, die ehemalige Burg Habsberg. Da die Alte Burg auf dem Areal von Emerfeld liegt, wird sie auch Burg Emerfeld genannt. Aber eine solche Burg stand wohl nie auf dem Bergsporn, der als ‚Alte Burg‘ bekannt ist.
Frühkeltische Kultstätte | sogenannte Alte Burg
Der ganze Bergsporn wurde im 8. Jahrhundert vor Christus planiert. Diese Kultstätte war damit älter als die Heuneburg bei Hundersingen, aber entstand zeitgleich mit der Großen Heuneburg bei Upflamör, die aber auch schon zuvor besiedelt war. Das Bergplateau der ‚Alten Burg‘ wurde mit Steinen befestigt, sodass es oben gerade war. Die dafür genutzten Kalksteine finden sich überall auf dem Gelände. Sie bedeckten den Berg einst vollständig.
Der Abhang war und ist steil und unten verhinderte ein Wall einen möglichen Aufstieg. Auf der Zugangsseite, der damals schon hier war, geht es ebenfalls steil hoch zwischen einem tiefen Graben. Das sind die Überreste einer damals unüberwindbaren Befestigung.
Zwei Wälle und eine zehn Meter hohe und 13 Meter dicke Mauer sicherten das Gelände auf der Bergspitze ab. Und selbst, wenn sie die Mauern erklimmen würden, ginge es auf das befestigte Gelände vier Meter tief hinab. Ein Teil der Mauer wurde auf dem Areal rekonstruiert.
Das ganze Areal war mit Steinen befestigt und fasst rund zwei Hektar Fläche. Es war etwa 340 lang und rund 60 Meter breit, aber ohne umgebende Mauern. Oben am Eingang ist die Fläche rechteckig, auf der anderen Seite ist sie rund. Es hat die Form einer Zunge, man könnte aber auch ein Schwert oder einen Penis annehmen. Die Kelten hatten einen Sinn für solche Analogien, wie es sich auch beim Bussen darstellt. Das Wort Bussen lebt auch noch im Bussi weiter.
Seitlich ziehen sich Terrassen entlang der Befestigung. Sie sind fünf bis acht Meter breit und wurden aus bisher ungeklärten Gründen angelegt. Sicher ist nur, dass sie nicht Teil der Verteidigungsanlage waren.
Grabhügel oder Opferschacht mit Menschenopfer | Alte Burg Langenenslingen
Noch im 19. Jahrhundert entdeckte man den vermeintlichen Grabhügel, der auf dem Gelände der Alten Burg liegt. Wenn man die Anlage betritt, befindet sich dieser auf der rechten Seite Richtung Zungenspitze. Die Anhöhe war etwa einen Meter hoch und auf acht mal acht Quadratmetern mit Kalkstein befestigt.
Darunter fand man nach der Jahrtausendwende einen fünf Meter tiefen Schacht. Dieser Schacht beherbergte menschliche Skelette und Funde aus der frühkeltischen Zeit. Es liegt also nahe, dass man hier doch einige Menschenopfer beseitigte.
Kultstätte oder Stadion? Alte Burg Langenenslingen
Die Funde sprechen sowohl für eine Kultstätte, als auch für eine Verteidigungsanlage. Lebte hier auf der ‚Alten Burg‘ – in Sichtweite der Heuneburg – ein weiterer Keltenfürst? Das ist eher unwahrscheinlich. Vielmehr glaubt die Forschung an eine Verbindung zwischen der Heuneburg bei Hundersingen und der Großen Heuneburg bei Upflamör. Diese Siedlungen waren offenbar miteinander verflechtet. Die Große Heuneburg entstand zeitgleich mit der ‚Alten Burg‘.
Die ‚Alte Burg‘ war also kein Fürstenhaus. Und das Areal war bis zum 4. Jahrhundert v. C. in Nutzung. Die etwa neun Kilometer entfernte Heuneburg aber wurde schon im 5. Jahrhundert v. C. verlassen. Die Skelettfunde sind aus dem 4. Jahrhundert v. C., sodass man annehmen muss, dass die Zeiten rauer wurden. Vielleicht führte auch genau dieser Vorgang zur Aufgabe des Areals. Möglicherweise wurden die Leichen auch erst nach Aufgabe der Stätte deponiert.
Die runde Form lässt auch die Annahme zu: Vielleicht war es eine Sportstätte? Ein Stadion? Ein Platz für Pferderennen. Die alten Griechen machten das schließlich auch und ein Kontakt zwischen Kelten und Griechen gab es schon früh. Das würde auch die Planierung plausibilisieren. Und die ersten Olympischen Spiele fanden im 8. Jahrhundert v. C. statt.
Brainstorming – Was war die Alte Burg?
Man kann also davon ausgehen, dass die ‚Alte Burg‘ bei Langenenslingen ein Kultplatz der Kelten war. Die enorme Größe, die mühevolle Erschließung und die Form lassen auf sportliche Wettkämpfe schließen. Vielleicht war es die keltische Variante der Olympischen Spiele, vielleicht fanden auf dem Bergplateau die Keltischen Spiele statt. Die seitlichen Terrassen erlaubten womöglich dem einfachen Volk zuzuschauen. Allerdings hatte man von unten wohl eine schlechte Sicht. Vielleicht berichtet auch nur einer der beiden Parteien dem jeweiligen Publikum von oben. Die enorme Verteidigungsarchitektur verhinderte dann vielleicht einen irregulären Einfluss der jeweiligen Stämme auf die Spieler? Obwohl das etwas übertrieben gewesen wäre.
Womöglich diente es nicht nur einem Zweck, sondern war eine Multifunktionsstätte. Möglicherweise war es doch auch ein Ort, an dem sich die Druiden trafen. Sie stellten die Gelehrten der Kelten dar und trafen sich, glaubt man den alten Schriften, im heutigen Frankreich. Vielleicht diente das Bergplateau zur Verkündung göttlicher Beschlüsse, dann waren die Terrassen schon eher geeignet, die Druiden zu erhöhen.
Die Form eines Schwerts und die drastischen Verteidigungsmaßnahmen lassen auch einen anderen Schluss zu. Vielleicht diente der Raum auch der Klärung von Streitfragen. Eine Art Schlichtungsstelle. Hier konnte man Kämpfe unter kontrollierten Bedingungen durchführen, hier konnte man Schlachten schlagen, ohne die Bevölkerung in Mitleidenschaft zu ziehen. Vielleicht auch nur die Streitigkeiten zwischen der Großen Heuneburg (Upflamör) und der Heuneburg (Hundersingen).
Könnte der Platz der geografischen Begebenheit wegen erwählt worden sein? Gab es eine Verbindung zwischen der ‚Alten Burg‘, den beiden Heuneburgen und dem Bussen? Dessen Breitengrad auch die ‚Alte Burg‘ berührt. Die beiden Heuneburgen liegen auf einer Achse, die fast genau nach Süden geht.
Eine Aufteilung der Funktion ist auch denkbar. Die Kelten kannten auch eine heilige Dreifaltigkeit. Nimmt man die Große Heuneburg heraus, weil sie vielleicht die alte Machtstätte war und durch die Heuneburg Hundersingen ersetzt wurde, bleiben drei wichtige Orte: der Bussen als Ort der Götter – wie es sich auch am Bussakindle darstellt; die Heuneburg als Machtzentrum und die ‚Alte Burg‘ als Ort für den Wettkampf und den Krieg?
Hat man die letzten Menschenopfer oder Wettbewerbsverlierer in den Schacht geworfen und vergessen? Hat man die vorherigen Opfer wieder herausgeholt? Gab es nur im 3. Jahrhundert noch ein letztes Ritual? War es das einzige mit Menschenopfern?
Denn es finden gesellschaftliche Umbrüche im Land der Kelten statt, womit sich Kultur, Handwerk und Lebensweisen der Kelten veränderten. Es gibt noch viel zu erforschen!
Kurzes Video zum Aussehen der Anlage: https://www.youtube.com/watch?v=Ydp2eY9TkHI
Wo befindet sich die ‚Alte Burg‘?
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