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Die Legende vom Ulmer Spatzen

Der Spatz ist in Ulm ein immer wiederkehrender Gast, was mit einer Legende zu tun hat, die in Verbindung mit dem Münster steht.

Vermutlich jeder Ulmer kennt die Legende vom Spatzen, der beim Bau des Ulmer Münsters geholfen haben soll. So gibt es eine Reihe von Kunstwerken, die darauf referieren, und der Ulmer Spatz fand Eingang in einige Traditionen. So existieren beispielsweise ein Zug, der als “Ulmer Spatz” bezeichnet wird, und auch ein Laugengebäck namens “Ulmer Laugenspatzen”. Außerdem hat sich ein Chor danach benannt (“Ulmer Spatzen Chor”) und die Mitglieder des Fußballclubs SSV Ulm 1846 werden ebenfalls als “Ulmer Spatzen” betitelt. Des Weiteren ist das Nabada im Sommer mit dem Ruf “Ulmer Spatza, Wasserratza, hoi hoi hoi!” zu starten.

Ulmer Muenster

Legende vom Ulmer Spatzen

Die Legende gibt es als Versreim oder als Geschichte. Ich fasse hier die Geschichte zusammen:

Es war zu der Zeit, da der Münsterbau in Ulm noch voll im Gange war und dafür brauchte man eine Menge Holz. Das wurde im Albecker Wald geschlagen, wobei man vor allem Eichen gefällt haben soll.

Der erste Balken kam nun heran und sollte durch das Tor gebracht werden. Doch der Balken war zu lang, sodass er nicht durch das Stadttor passte. Man rangierte mit dem Wagen hin und her, doch es passte nicht. Die Holzfäller wussten sich nicht zu helfen und liefen, den Wagen stehen lassend, zum Rathaus. Der Rat folgte den Holzfällern zum Stadttor und begutachteten die Lage.

Doch auch er wusste sich nicht zu helfen. Alle Vorschläge nutzten nichts. So sagte einer, man müsse den Balken zersägen, damit der Karren hindurch passen würde. Der Bürgermeister Besserer lehnte den Vorschlag jedoch ab. “Dann wäre er ja gar nicht mehr zu gebrauchen”, rief er aus.

Eine ganze Zeit lang liefen die Herren um den Karren herum und suchten weiter nach einer Lösung. Da man den Balken nicht absägen könne, müsse man das Tor erweitern. Das traf zunächst auf Zustimmung, doch dann sagte einer der Ratsherren: “Dann stürzt aber der Turm ein!” So war auch dieser Plan nicht umzusetzen. Da sagte ein anderer: “Wir bauen den Turm vorher ab!” Die Herren nickten einmütig und so wurde ein Maurer geholt, der seine Meinung dazu abgeben sollte.

Man hatte schon beschlossen, dass der Turm abgerissen werden würde, und blickte wehmütig hinauf. Wie sie so dastanden, bemerkte einer der Herren ein Spatzennest am Turm. Das Nest war noch nicht fertig und so flog ein Spatz  mit Baumaterial im Schnabel hin. Er transportierte einen langen Zweig, den er aber nicht quer, sondern längst im Maul heranflog.

Der Beobachter informierte seinen Nachbarn, dieser wiederum seinen Nachbarn, auf dass auch der Bürgermeister den Spatzen mit dem Zweiglein sah. “Sapperlot!”, rief der Bürgermeister aus. So machen wir es – längs, nicht quer. So kann man das Tor mit dem ganzen Stamm passieren.

Voller Freude über die Erkenntnis begleiteten sie den Wagen nun bis zur Baustelle. Der Maurer wurde abbestellt und die Bauarbeiten konnten weitergehen. Im Rathaus dichtete der Bürgermeister ein Gedicht zu Ehren des Spatzen, der beitrug, das Tor zu erhalten.

Aus Dankbarkeit gegenüber dem geflügelten Tier errichtete man einen großen Spatz auf dem Dach des Münster, wo er über Jahre stand und von dem Erkenntnisreichtum der Ulmer Bürger kündete. Fortan ließen sie sich auch Spatzen nennen.

Der wahre Kern des Ulmer Spatzen

Tatsächlich gab es auf dem Langschiff des Münsters in Ulm einen Vogel, der einen Zweig im Schnabel trug. Dabei war jedoch kein Spatz gemeint, sondern die biblische Taube mit dem Olivenzweig. Der Zweig war jedoch recht groß im Verhältnis zu dem Vogel und man konnte derart annehmen, es könnte auch ein Spatz sein. Überhaupt war das Kunstwerk nur schwer auszumachen. Da sich die Idee des Spatzen manifestierte, entstand die Legende des Ulmer Spatzen zur Erklärung des Kunstwerks.

Im Jahr 1888 wurde dann tatsächlich ein Spatz installiert, der ein Jahr später von einem vergoldeten Spatzen ersetzt wurde. Das Original ist aber im Münster verblieben und kann dort besichtigt werden. Der ursprüngliche Vogel, die Taube, wurde schon 1854 aus Gründen der Statik entfernt.

 

Schwoable

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